Einheit der Religionen

Einheit der Religionen

Es gibt nur einen Gott. Er erschuf die Welt und alles, was darinnen ist:

O Sohn des Menschen! Verhüllt in meinem unausdenkbaren Wesen und in der Ewigkeit Meines Seins, erkannte ich meine Liebe zu Dir; darum erschuf Ich dich, prägte dir Mein Ebenbild ein und offenbarte dir Meine Schönheit.

(Bahá’u’lláh, Verborgene Worte, Nr. 3)

Der Mensch kann Gott nicht unmittelbar begreifen, da alle Mittel, mit denen der Mensch Erkenntnis erlangt – seine Sinne, seine Vernunft und sein Verstand – begrenzt sind, während Gott der Unbegrenzte und Unbedingte ist. Selbst der gelehrteste Mensch kann nicht beanspruchen, eine zutreffende Vorstellung von Gott zu haben.

Der Mensch, das Geschöpf, kann die Ursache seines Seins, den Schöpfer, nicht erfassen, so wie das Gemälde kein Wissen um den Maler und das Bauwerk keine Vorstellung von seinem Baumeister haben kann.

Erhaben, unermesslich erhaben bist Du über das Bemühen der Sterblichen, Dein Geheimnis zu enträtseln, Deine Herrlichkeit zu schildern oder die Art Deines Wesens auch nur anzudeuten.

(Bahá’u’lláh, Ährenlese, 1:3)

Auch wenn der Mensch Gott nicht direkt erfassen kann, so gibt sich Gott durch Seine Boten zu erkennen. Die Verbindung zwischen Gott und dem Menschen wurde in der Menschheitsgeschichte nicht nur einmal, endgültig oder unüberbietbar geknüpft z.B. durch Moses oder durch Jesus Christus, sondern bestand von Anfang an und wird immer bestehen bleiben. Alle großen Religionen sind göttlich in ihrem Ursprung.

Im Unterschied zu Philosophen, die die Menschheit durch ihre eigenen Gedanken und Lehren bereichert haben, empfangen die Gottesoffenbarer ihr Wissen direkt von Gott. Sie sind Sprachrohre Gottes. Alle Gottesoffenbarer stammen aus derselben Quelle, daher betrachten die Bahá’í alle Gottesboten als dem Wesen nach gleich. Sie alle hatten dieselbe Aufgabe:

Das Wohlergehen der Welt und ihrer Völker zu fördern…

(Bahá’u’lláh, Ährenlese 34:6)

Denn es gibt nur einen Gott und eine Menschheit, und das einzige Glaubensbekenntnis der Propheten ist das der Liebe und Einheit.

(‚Abdu’l-Bahá, Promulgation S. 410)

Das Wirken Gottes enthüllt sich in jeder Religion entsprechend den Rahmenbedingungen der jeweiligen Zeit. Der Schwerpunkt und der Enthüllungsgrad ist vorherbestimmt:

Denn jedes Zeitalter fordert ein neues Maß an Gottes Licht. Jede göttliche Offenbarung wurde so herabgesandt, wie es den Verhältnissen des Zeitalters entsprach, in dem sie erschien

(Bahá’u’lláh, Ährenlese 34:7)

Die Unterschiede zwischen den Religionen tragen dem Umstand Rechnung, dass sie einerseits die Bedürfnisse der Zeit verschiedene waren, andererseits das Fassungsvermögen der Menschheit entsprechend ihrem entwicklungsgeschichtlichem Stand zunimmt.

Unterschiede der Regeln und Riten, denen sie unterstehen, müssen den wechselnden Anforderungen und Bedürfnissen der Zeitalter zugeschrieben werden, in denen sie offenbart wurden.

(Shoghi Effendi, Religion der Einheit, Bahá’i-Informationen Nr. 1, S. 2)

Die Lehre der fortschreitenden Gottesoffenbarung und die Bedeutung der Bahá’í-Religion wird von Shoghi Effendi wie folgt beschrieben:

…Sie ist vielmehr eine neue Darlegung der ewigen Wahrheiten, die allen Religionen der Vergangenheit zugrunde liegen, eine einigende Macht, die den Anhängern dieser Religionen neuen geistigen Auftrieb, neue Hoffnung und Liebe zur Menschheit gibt, sie durch einen neuen Blick für die grundsätzliche Einheit ihrer religiösen Lehren entflammt und vor ihren Augen die herrliche Berufung enthüllt, der das Menschengeschlecht entgegengeht. Der oberste Grundsatz, den Bahá’u’lláh verkündet und zu dem sich die Anhänger Seines Glaubens bekennen ist, dass religiöse Wahrheit nicht absolut, sondern relativ ist, dass Gottesoffenbarung ein fortdauerndes und fortschreitendes Geschehnis ist, dass alle großen Religionen der Welt göttlich in ihrem Ursprung sind, dass ihre Grundsätze miteinander in völligem Einklang stehen, dass ihre Ziele und Absichten dieselben sind, dass ihre Lehren nur Widerspiegelungen der ‚einen‘ Wahrheit sind, dass ihr Wirken sich ergänzt, dass sie sich nur in unwesentlichen Teilen ihrer Lehren unterscheiden und dass ihre Sendungen aufeinanderfolgende geistige Entwicklungsstufen der menschlichen Gesellschaft darstellen.

(Shoghi Effendi, Der Verheißene Tag ist gekommen, Kap. 1)

Das Ziel Bahá’u’lláhs, des Gottesoffenbarers dieses neuen und großen Zeitalters, in das die Menschheit eingetreten ist – sein Kommen erfüllt die Prophezeiungen des Neuen und Alten Testamentes wie auch des Qur’án (Korans), die sich auf das Erscheinen des Verheißenen am Ende der Zeiten, am Tage des Gerichts beziehen – ist nicht die Aufhebung, sondern die Erfüllung der Offenbarungen der Vergangenheit. Er bringt die Versöhnung, nicht die Betonung der Gegensätze der sich streitenden Glaubensbekenntnisse, welche die heutige Menschheit noch zerreißen.

Bahá’u’lláh ist weit davon entfernt, die Stufe der Ihm vorausgegangenen Gottesoffenbarer herabsetzen oder Ihre Lehren schmälern zu wollen. Vielmehr will Er die Grundwahrheiten, die in allen diesen Lehren liegen, in einer Weise neu darlegen, wie sie den Nöten der Menschheit entspricht, auf ihre Fassungskraft abgestimmt ist und auf Fragen, Leiden und Verwirrungen der Zeit, in der wir leben, angewendet werden kann.

Seine Sendung ist zu verkünden, daß die Zeiten der Kindheit und Unreife des Menschengeschlechtes vorüber sind, daß die Erschütterungen der heutigen Stufe der Jugend langsam und schmerzvoll die Stufe der Reife vorbereiten und das Nahen jener Zeit der Zeiten verkünden, da die Schwerter in Pflugscharen umgewandelt werden, das von Jesus Christus verheißene Reich begründet und der Friede auf diesem Planeten endgültig und dauernd gesichert sein wird.

Auch erhebt Bahá’u’lláh nicht den Anspruch auf Endgültigkeit Seiner eigenen Offenbarung. Er erklärt vielmehr ausdrücklich, daß in den späteren Phasen der endlos weiterschreitenden Menschheitsentwicklung ein volleres Maß der Wahrheit enthüllt werden muß als Ihm von dem Allmächtigen in einem für die Menschheit so kritischen Zeitpunkt gestattet wurde.

(Shoghi Effendi, Der Verheißene Tag ist gekommen, Kap. 1)